SatirSpiegel im brettl-Format vom 17. Oktober 2017
Wer mit einem Blog Geld verdienen möchte, muss als Werbepartner zur Verfügung stehen. Werbung als Geldquelle ist zwar legitim, hat aber ein „Geschmäckle“, vor allem, wenn man sich der Satire verschrieben hat. Dennoch beginnt unser Blog heute mit Werbung, die wir aber geschmackfrei (nicht geschmacklos) halten wollen. Es geht um Werbung in eigener Sache. Neben der Arbeit am dem Satire Blog sind die Abschlussarbeiten an dem (ersten?) Alterswerk von Lothar Schäffner vorangetrieben worden. Und jetzt ist es da und wird nicht ohne Stolz präsentiert.
Lothar Schäffner. Die Kunst, Einfluss zu nehmen – in und durch Organisationen Rainer Hampp Verlag, Augsburg, München 2017, 278 S. ISBN 978-3-95710-201-0 (print) € 32.80 ISBN 978-3-95710-301-7 (e-book pdf), € 29.99Weitere Infos zum Buch auf der letzten Seite |
Werbung ist ohne Wiederholung kaum wirksam. Schon alleine deshalb kann es sein, dass die Besucher von brettl-im-blog hin und wieder auf einen Hinweis auf das Buch stoßen. Wir bitten um Verständnis. Keine Angst, es wird aber nicht so aufdringlich werden wie die Werbung für die Zeitung, die in den Apotheken ausgegeben werden und die vor Bildern nur so strotzt, auf denen die Alten auf jung getuned werden. Sie wird auch nicht so penetrant wie die mediale Verbreitung des bekanntesten Mittels in Deutschland für eine perfekte Figur, obwohl die dabei angebotenen Bilder vor allem aus männlicher Sicht auch beim mehrfachen Hinschauen durchaus angenehm „rüber kommen“.
Wenden wir uns den Geschehnissen in der Welt zu, die sich in den vergangenen drei Wochen sonst noch vollzogen haben. Ach so, da war ja noch was:
Die Wahlen
Zwei so kurz aufeinanderfolgende Wahlen in einer Blogausgabe zu kommentieren, führt selbst geübte Satiriker an ihre Grenzen. Wenn Satire schneller produziert wird als sie kommentiert werden kann, löst dies zwangsläufig tierisch satirischen Stress aus. Also am besten durchatmen und der Reihe nach, was allerdings auch bedeuten kann rückwärts in der Reihenfolge abarbeiten.
Das bedeutet: die Niedersachsenwahl zu erst. So viel Neues ist eigentlich nicht geschehen. Die Stimmenverhältnisse haben sich nicht viel verändert, wohl aber die Kombinationsmöglichkeiten und damit doch das politische Kräftespiel. Dabei haben es die Wähler eigentlich gut gemeint und sich traditionell brav verhalten bei ihrer Wahlentscheidung. Ein Blick in das Archiv des bisherigen Verhaltens der Wähler in der Bundesrepublik Deutschland lässt dies nicht nur erahnen, sondern auch belegen und zwar anhand einer Szenen-Kladde eines inzwischen alt gewordenen Jungfilmers über den Prozess der typischen Wahlentscheidung und dies in 8 Szenen.
„Alle Vier Jahre wieder“ ein deutsches Dauer-Drama mit vielen Wiederholungen.
Szenen Kladde
Szene 1 Eine normale spießige Kneipe am Stammtisch. Dort sitzen einige nicht mehr ganz so junge Herren und diskutieren über Politik oder besser sie reden wild durcheinander und halten sich ihre gegenseitigen Positionen vor. Nach dem 5. Bier scheint sich ein Meinungstrend herauszukristallisieren, dass die da oben doch alle machen, was sie wollen. Selbst die Bedienung ist der Meinung, als sie um Zustimmung gebeten wurde, wohl aber eher um dem Tätscheln dessen zu entgehend, der gerade die letzte Runde bestellt hat und ihrem verlängerten Rückgrat ziemlich nahe zu kommen drohte. Ihr „ist schon gut!“ wurde wenigstens als einvernehmliches Ja gedeutet. Die Quintessenz der Herrenrunde, eigentlich müsse man doch gar nicht mehr wählen, hat sie schon nicht mehr mitbekommen.
Szene 2 vor dem Fernseher sitzendend erklärt der Hausherr dem Rest der Familie, Ehefrau und Hund mit entschiedener Mimik, dass sein Entschluss feststehe, dass bei all dem Blödsinn, den die Politiker fabrizieren, er nächstes Mal von seinem Wahlrecht kein Gebrauch machen würde. Auf die Erwiderung seiner Frau, die eigentlich in einem fast wörtlichen Zitat der älteren Kinder besteht, dass das Wahlrecht eine Errungenschaft sei, für die andere im Laufe der Geschichte gekämpft und sogar ihr Leben gelassen haben, antwortet er widerborstig, diese hätten ja nicht gewusst, was die Politiker aus dieser Errungenschaft machen würden.
Szene3 in der Fußgängerzone von einem studentischen Befrager zu seinem Wahlverhalten angesprochen erklärt er, dass er bei den nächsten Wahlen nicht wählen wird und bei einem Nachfragen milderte er es dahin ab, dass er seine Wahlentscheidung noch nicht getroffen hätte.
Szene 4 Im Auto bei einem Ampelstopp schaut sich unser Protagonist die Wahlplakate an und fragt sich, was dieses alles soll, was dieser Unsinn alles kostet und wer das Ganze nachher wieder aufräumt oder zum allgemeinen Ärger gerade nicht. Nur das FDP-Plakat mit Lindner fällt ihm auf und er stellt sich halblaut zwei Fragen. Hat die Partei kein Geld mehr für einen Farbdruck und besteht die FDP nur noch aus Lindner? Im Autoradio hört er in den Nachrichten, dass sich rund 30% noch nicht für eine Partei entschieden hätte. Er fühlt sich bestätigt und beschleunigt die kurze Strecke bis zur nächsten roten Ampel.
Szene 5 Vor dem Fernseher. Eigentlich interessieren ihn die Inszenierungen der TV Duelle schon lange nicht mehr. Nur mal kurz reinschauen, wie die Atmosphäre da so ist. Na, ja die andere Seite ist in ihrer Argumentation ganz schön flach. Ganz anders als der insgeheim Favorisierte. Da hat er der anderen Seite eine ausgewischt. Treffer! Aber die Journalisten fragen seinen Favoriten ziemlich gemein, wahrscheinlich gehören sie politisch zur anderen Fraktion. Eigentlich ist das Ganze Getue doch nicht wahlentscheidend. Dennoch: der Favorit hat nicht nur gefühlsmäßig gewonnen. Objektiv ganz eindeutig könnte er dies Satz für Satz nachweisen.
Szene 6 Am nächsten Tag am Frühstückstisch beim Zeitunglesen. Empörung über die Überschrift, die besagt, dass die andere Seite den besseren Eindruck gemacht hätte, sowohl von den sachlichen Argumenten als auch von der persönlichen Ausstrahlung her. Innere Empörung: Wie blöd muss die Mehrheit der Bevölkerung sein. Da muss man dagegen halten. Denen zeige ich es. Ich gehe wählen.
Szene 7 Auf der Fahrt zum Wahllokal schaut er sich die Menschen an, die auch dorthin gehen. Je nach Sympathie schätzt er ein, wo diese wohl gleich ihr Kreuzchen machen. Die Unsympathischen ordnet er gleich der Gegenseite zu. Na, man sieht es ihnen an, dass sie nicht in der Lage sind, einschätzen zu können, was für unser Land gut ist. Soll ihnen beim Ankreuzen der Bleistift brechen und noch mehr.
Szene 8 In der Wahlkabine. Ein kurzes Verharren. Eigentlich wollte ich nicht mehr dieselben wählen wie all die Jahre zuvor. Aber sind die anderen wirklich besser? Die ganze Familie hat schon immer die gleiche Partei gewählt und der geliebte, leider verstorbene Patenonkel war dort sogar Mitglied. Der würde sich im Grabe umdrehen, wenn ich andere wählen würde. Mensch, ist dies aber ein riesiger Wahlzettel. Nur gut, wenn man weiß wo die eigenen stehen. Fest entschlossen sein Kreuz machen und dann warten bis abends 18 Uhr Jörg Schönenborn sich aus dem Wahlstudio meldet.
Ob dieses Drama fortan in die Kategorie historischer Filme eingeordnet werden muss, ist gegenwärtig nicht abzusehen. Es hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Ereignisse drei Wochen davor zu der niedersächsischen Situation in Verbindung gebracht werden. Geschieht dies in Form eines Kuhhandels, wenn du in Niedersachsen mit mir gehst, musst du dich auch in Berlin mit mir zeigen?
Brettl-im-blog identifiziert eindeutige Gewinner der Bundestagswahl
Während die Spitzenpolitiker der Parteien versuchen, sich die Ergebnisse einigermaßen schön zu reden oder wenigstens Konsequenzen lautstark heraus zu posaunen, wie ihr zerstörtes Jericho mit Sicherheit wieder aufgebaut werden würde, wenn die Parteien der Mitte jeder ihren eigenen Weg finden, ihre Wunden zu lecken, hat vor allem eine Berufsgruppe den Grund in Champagner zu baden, die der wissenschaftlich ausgewiesenen Auguren.
Je nach Sitzplatz in dem Whirlpool der Entspannung nach dem politischen Gefecht, werden unterschiedliche Vermutungen ausgestoßen. Wenigstens in einem sind sich alle einig und bieten Anlass gemeinsam das Glas zu erheben: Die Wähler sind schuld!! Sie tragen die Verantwortung. Was haben Sie nicht alles getan, um das gegenwärtige Ergebnis zu verursachen.
- Sie sind Männer
- Sie leben im Osten
- Sie sind verunsichert
- Sie leben in oder in der Nähe von prekären Verhältnissen
- Sie tragen ihren Protest in die Wahlkabine
Die Liste der Ursachen und der Verursacher ließe sich sicherlich beliebig verlängern, aber genauso gut auch zusammenfassen und auf den Punkt bringen. Hier war brettl-im-blog nicht der Entdecker, sondern die Bertelsmann Stiftung mit einer Studie. Danach lässt sich in einer groben Einteilung nicht mehr die grundlegende Grenze zwischen links und rechts ziehen. Diese verläuft heute woanders. Sie trennt heute die Modernisierungsgegner von den Modernisierungsbefürwortern, also in die, die auf Tradition und Besitzstandswahrung setzen von denen, die sich Grenzüberwindungen und Beschleunigung wünschen. Die Trennung läuft zwischen Festhalten und Aufbruch oder Bewahren und Veränderung.
Das Satirische an dieser Erkenntnis ist, dass das Wissen um die Bedeutung dieser Trennung uralt ist und sich durch die Jahrtausende alte Ideengeschichte zieht. Genauso bekannt ist, dass eine solche Trennung nicht unbedingt einer Spaltung gleichkommt.
Manchmal ist es gut, ältere Bücher nicht nur als Dekoration und als Nachweis intellektueller Erziehung in dem sonst leeren Bücherregal der zu halten, sondern auch mal wieder hineinzuschauen. Da bietet sich – aus meiner Generation – der „alte“ Fritz Riemann an (Herrn zu Guttenberg als Anleitung die Quellenangabe: Fritz Riemann. Grundformen der Angst. Verlag Ernst Reinhard, München 1961).
Nach dessen Vorstellung gibt es in unserem menschlichen Leben Gegenpole, die sich gegenseitig brauchen. Die Veränderung braucht die Bewahrung, damit sie nicht über das Ziel hinausschießt und die Bewahrung die Veränderung, damit sie nicht zur Friedhofsruhe wird. Das Geheimnis und eigentlich auch das Ziel von einer politisch konstruktiven Idee sind, die beiden sich jeweils gegenüberstehenden und doch aber auch bedingenden Pole in Balance zu halten. Balance aber braucht Spielraum.
Auf die Politik übertragen ist der Spielraum die öffentliche Diskussion. Wenn diese durch Aussitzen im Merkel‘schen Sinne erstickt, vernebelt oder durch ständige Kompromisse einer großen Koalition zugedeckt wird, stehen sich einerseits Ungeduld und andererseits Angst weiterhin unversöhnlich gegenüber. Und letztere ist Nahrung für die
Angst fördernde Demagogie. AFD
Sie verheißt ein Angst lösendes Mittel, das sich aber letztlich langfristig als Angst fördernde Droge erweist.
Als Gegenmittel vermischen nun die politisch aktiven Heilpraktiker die verschiedensten Kräuter und vermischen sie mit Begriffen, die schon von sich aus Heilwirkung versprechen, wie Jamaika. Oder es wird auf die abhärtende Wirkung der Abschreckung gesetzt und den traditionellen Parteien eine Rechts-Zellen-Kur verordnet. Wenn dann schließlich noch auf Franz Josef Strauß und seinen Grundsatz zurückgegriffen werden muss, dass in der politischen Landschaft es nichts rechts von der CSU geben darf, wenn also durch FJS eine rechts gerichtete Politik folkloristisch getarnt werden muss, ist allerhöchste Vorsicht geboten. Wer den rechten Standstreifen auf der Autobahn zum Überholen freigibt, braucht sich nicht zu wundern, wenn dann keine Rettungsgasse mehr gebildet werden kann.
Brettl-im-blog wird nicht müde, auch in Zukunft auf solche Gefahrenstellen hinzuweisen. Wir sind sicher, es handelt sich hierbei um eine Mischung von Wander- und Dauer-Baustellen.
Wer sich ernsthaft für das eingangs erwähnte Buch interessiert, findet hier eine inhaltliche Zusammenfassung als pdf-Datei zum Download: Buch