SatirSpiegel im brettl-Format v. 23. August 2018

 

Geht es nicht auch eine Nummer kleiner?

Da wird Kritik an Mesud Özil mit Rassismus gleichgesetzt und die an einer Fußball-Reporterin mit Frauenfeindlichkeit, obwohl man (aber auch frau) nur gegen deren Stimme allergisch reagiert, die wirklich weh tut und in ihrem disharmonischen Klang durch eine falsche Satzmelodie geradezu verstärkt wird. Da wird die ZDF-Spitze zur Margot Honecker, also zur Erziehungsministerin, die ihre Monopolstellung zur Berichterstattung über wichtige Fußballspiele vermehrt missbraucht, auf die sich die Bevölkerung freut. Man schaltet das Fernsehgerät ja ein, um ein Spiel zu sehen und nicht primär um eine Frau oder einen Mann zu hören, die dieses kommentiert. Man könnte ja den Ton abstellen, wie im Selbstversuch getan und sich ausdenken, welche falschen Töne aber auch Worthülsen man sich dabei erspart. Die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und sie durchzuhalten, wäre Voraussetzung. Eine gewisse satirische Grundstimmung aber auch. Eine solche sollte man der Bevölkerung jedoch nicht aufzwingen. Brettl-im-Blog ist freiwillig und auch ohne Gebühren zu beziehen.

 

Geht es nicht auch eine Nummer kleiner? Diese Frage stellt sich selbstverständlich nicht in Richtung brettl-im-blog.Die Erklärung der Welt braucht manchmal etwas Großes, um die Komplexität des Geschehens um Politik, Technik und das Verhalten von Menschen verdeutlichen zu können. Diejenigen, die sich um eine solche Erklärung bemühen, müssen wiederum einen Weg finden, dies möglichst einfach „rüber zu bringen“, sonst verlieren sie schnell die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer und Leser. Deshalb versuchen wir es heute mal mit einer neuen Darstellungsform, und zwar die einer Trilogie. Wir erheben dadurch keinesfalls den Anspruch, diese erfunden zu haben. Doch immerhin hauchen wir ihr neues Leben ein. Dabei sind wir uns unserer Verantwortung bewusst, durch die Trennung folgenden Beitrages in drei in einem zeitlichen Abstand aufeinander folgende Sequenzen unsere Adressaten in größte Spannung (jeweils auf die nächste Folge) zu versetzen, halten diese jedoch für gefestigt genug, solches auszuhalten.

 

Deutsche Bahn

zwischen politischem Verschiebebahnhof, technischer Innovation, Marketing und schlichtem menschlichem Verhalten

(Teil 1 der Trilogie)

Die personelle Neustrukturierung des Vorstandes der Deutschen Bahn hat erhebliche Konsequenzen für die Zukunft dieses Unternehmens. Es wird weniger von der Technik bestimmt als von dem Marketing, d.h. der geschickten Überredungskunst, das an den Fahrgast zu bringen, was man gerade so auf Lager bzw. auf der Schiene hat. Oder man macht ihm glauben, dass das, was die Bahn anbieten kann, genau das ist, was man will. Dies erfordert lediglich ein geschicktes empirisches Design bei der Kundenbefragung. Wer in den vergangenen Jahren viel Bahn gefahren ist, kennt sie alle, die älteren mit Fragebogen bewaffneten Herren, denen man schon aus Pietätsgründen keine Befragungsbitte abschlagen konnte, vor allem, wenn sie vor einem standen und gleichzeitig sich Halt zu sichern versuchten, und die etwaige Einwände, das seien aber nicht die Fragen, die einen als Fahrgast interessiert, als Renitenz altersweise weglächelten.

Konkret: Ronald Pofalla (59), ehemals CDU-Generalsekretär und dann Minister für besondere Aufgaben, die wahrscheinlich darin bestanden, abzuwarten, bis er endlich auf einen lukrativen Posten außerhalb der Partei abgeschoben werden konnte. Also der Pofalla, der sich immer so anhört, als hätte man bei ihm vergessen, die Nasentamponade rauszunehmen, steigt zum neuen Infrastrukturvorstand auf und wird den Posten zusätzlich zu seinem Derzeitigen als Chef-Lobbyist ausfüllen. Allerdings ist man dort nicht besonders glücklich, als Verschiebebahnhof zu fungieren. Seine Zukunft als oberster Bahnchef ist noch nicht gesichert. So wurde ihm bislang noch die Zuständigkeit für Technik verweigert.

So hat also Pofalla genug Zeit und Freiraum, sich und den Fahrgästen die Deutsche Bahn schön zu reden. Vor am Beispiel des Flaggschiffs der Deutschen Bahn, dem ICE 4. Brettl-im-blog.de, ob seiner soliden Recherchearbeit unter dem Motto „wenn satirische Schreibe auf Satire produzierende Wirklichkeit trifft“, hat seinen Chefautoren mehrmals auf eine der beiden Hauptstrecken des neuen ICE 4 von Stuttgart nach Hannover geschickt und vergleicht seine Erfahrungen mit dem schön gefärbten Darstellungen, die die DB unter.

https://www.deutschebahn.com/de/presse/suche…/medienpaket_ice4-1186646

anbietet. Dabei wurde ihm – auch Satireschreiber können sich von hierarchischen Gedanken nicht ganz befreien – ein Ticket 1. Klasse zugestanden, allerdings zu einem Super-Sonderpreis.

 

Protokollnotizen von seiner ersten Fahrt im Januar 2018 von Stuttgart nach Hannover

Wichtigste Info vorweg: Der Zug scheint pünktlich zu sein. Eine von der Bahn zu über 80% verheißene Selbstverständlichkeit, die nach den über 25 Jahre langen ICE- auf anderen Strecken und mit Vorgängerversionen gemachten Erfahrungen gar nicht so selbstverständlich war. Es sei denn, diese Erfahrungen beruhten auf dem Zufall, jeweils mit den Zügen gefahren zu sein, die verspätet waren. Er, der Zug mitsamt Autor, fuhr dann aber diesmal auch pünktlich ab. Eine Wahrscheinlichkeit, die als relativ hoch einzuschätzen gilt, da Stuttgart für diese Strecke ein Startbahnhof ist. Einstieg einfach, da die unterste Stufe eben zur Bahnsteigkannte liegt. Türbreite großzügig. Auffallend die großen Knöpfe zum Öffnen der Türe. Beruhigend, weil dies auch im Notfall gut ist. Beunruhigend, weil sie an den Notfall erinnert. Was überwiegend liegt in der Ausprägung des Grades des individuellen Neurotizismus, d.h. der grundsätzlichen Angstbereitschaft begründet.

Erstes Stutzen beim Betreten des Großraumwagens. Bin ich nun doch in der zweiten Klasse gelandet? Der Gang zwischen den Sitzen scheint doch nicht so gewohnt großzügig zu sein, wie sonst in der ersten Klasse. Ein Merkmal, dem besondere Bedeutung zukommt, wenn man sich selbst sein Getränk im Bordbistro abholen möchte, weil man beim „Service am Platz“ – ein Privileg nur für die erste Klasse – sonst erst in Frankfurt das serviert bekommt, was man schon in Stuttgart bestellt hat. Ein Blick auf die Sitze und auf die mit einer „1“ bestickten Kissen auf den Kopflehnen bestätigt, doch richtig eingestiegen zu sein. Und vor allem: Die Anzahl der Sitze in einer Reihe, jeweils 2 und dann noch einer. Was man bei seiner ersten Irritation dann doch noch nicht bemerken kann. Die Enge des Ganges hat auch einen praktischen Sinn, auch wenn diesem eigentlich nur ein kompensatorischer zukommt. Doch dazu muss der Zug erst mal in Fahrt gekommen sein.

Schaut man auf die gerade ebenfalls zusteigenden Mitreisenden, haben alle eine Haltung gemeinsam. Blick nach unten auf die Fahrkarte in der Hand, dann noch oben Richtung Gepäckablage auf der Suche nach der Platzziffer und auf die Reservierungsanzeige. Ob die Bahn hier einer orthopädischen Expertise gefolgt ist, kann nicht ausgemacht werden; festgehalten werden kann, dass sich die Nummerierung und Reservierungsmitteilung in den Kopfstützen befindet. Also wird vom Reisenden eine Muskelanspannung weniger als bislang abverlangt. Man wird sich auf alle Fälle daran gewöhnen. Keine Angst, die Fahrgäste werden nicht verweichlicht werden. Es heißt abwarten, bis der Zug voll in Fahrt ist. Bis dahin kann man sich ja mit der Beweglichkeit der Sitze auseinandersetzen. Die Deutsche Bahn hebt dies als eine bemerkenswerte Verbesserung hervor. Und der Kunde ist froh, dass er dies nun weiß „Die Rückenlehnen gleiten beim Verstellen nicht nach hinten, sondern in die Sitzschale und stören den hinteren Sitznachbarn nicht. Jeder Sitzplatz der 1. Klasse verfügt zudem über eine eigene Steckdose und eine Leseleuchte“. Und wer es genießen möchte, den Preis zu rechtfertigen, den er für einen besonderen Luxus bereit ist zu zahlen, oder sich zahlen zu lassen, noch ein ganz entscheidender Hinweis: In der ersten Klasse sind die Rückenlehnen bis zu 38° neigbar, in der 2. Klasse nur um läppische 32°. Damit lässt sich bei den Reiseberichten im Freundeskreis garantiert punkten. Vielleicht dienen solche Vergleiche auch als Anregung für einen gesellschaftlichen Wettbewerb zwischen den einzelnen Haushalten. Wie variabel ist der Neigungswinkel der Sitzmöbel in den einzelnen Familien. Oder als Kriterium für die Annahme einer Einladung, die mit der Frage gekontert wird, wie groß der Variabilität der Neigungswinkel der Sitzmöbel sei, auf denen man während der Einladung auszuharren hat.

Also: Nehmen Sie Platz. Weiter geht es das nächste Mal.

Hannoversche Allgemeine Prospekthülle

Endlich hat die ansonsten brave Niedersächsische Landeshauptstadt das Potenzial zu einem richtigen politischen Skandal. Oder besser gesagt: Hätte! Es ist die Rede von Suspendierung, Untreue, ungerechtfertigte Zuschlagzahlungen, von der die oberste Verwaltungsspitze mit dem Oberbürgermeister, seinem Büro und einem Dezernenten betroffen sind. Eigentlich hätte die Hannoversche Presselandschaft genug Stoff zum Zündeln, doch die dominante Regional-Zeitung bleibt zahnlos und hält sich auf einem Entwicklungsstand, für das es keinen besseren Beleg gibt als das von brettl-im-blog belauschte Telefongespräch:

Nein, nein, Sie sind nicht falsch verbunden. Wir hießen früher mal Hannoversche Allgemeine Zeitung.

Was das soll? Das ist oben so entschieden worden, dass wir nun Prospekthülle heißen. Abkürzung also nicht mehr HAZ, sondern HAP

Warum? Na, uns wurde gesagt, dass dies so sein muss, weil im Sinne einer konsequenten Corporate Identity wir in unserem Titel das rüber bringen sollen, was denn Sinn unseres Geschäftes ausmacht und das ist nach Willen der Oberen Werbung einhüllen

Aber deshalb rufen Sie bestimmt nicht an. Was kann ich für Sie tun?

Sie wollen bei uns Prospekte einlegen. Volltreffer, da sind Sie bei uns genau an der richtigen Adresse. Also her damit!

Der Prospekt ist ziemlich dick? Kein Problem, dann machen wir eben die Hülle dünner. Da machen wir vom Jahr zu Jahr enorme Fortschritte. Irgendwann werden wir mit der Hülle in den Nanobereich vorstoßen.

Nein, leere Blätter liefern wir noch nicht. Wir können doch unsere Leser nicht so täuschen. Aber am Inhalt haben wir schon einiges eingespart und haben sogar noch Luft nach oben oder wie Sie wollen nach unten.

Ob wir keine Angst haben damit unsere Kunden zu verprellen? Mann, da müssen Sie aber mal gewaltig umdenken. Sie müssen ein für alle Mal begreifen, die Kunden sind die potenziellen Abnehmer der Produkte und Dienstleistungen für die die Unternehmen bei uns werben. Und unsere Leser sind die Verteiler dieser Werbung. Toll, nicht wahr?

Was außen auf der Hülle steht? Da machen Sie sich aber mehr Gedanken als wir. Irgendetwas Gedrucktes selbstverständlich. Ist doch eigentlich egal, oder gucken Sie von außen darauf, was auf ihrer Einkaufstüte steht. Na also, wir auch nicht. Wichtiger ist, was drin liegt und was Sie mit nach Hause nehmen können.

Ach, Sie sind auch Leser? Deshalb Ihr Interesse an unserem Gedruckten.

Ob wir etwas anderes machen als abkupfern? Na, ja Kupfer ist ja wertvoll und wird leicht geklaut.

Zur Not unternehmen wir selber etwas. Ein Fußballevent für Schüler oder ein Lesewettbewerb oder eine Hilfsaktion zu Weihnachten. Schlanker kann man eigentlich gar nicht wirtschaften. Ein Event initiieren, durchführen, über mehrere Tage berichten dann Leserbriefe dokumentieren und die Redakteure immer mit ins Bild bringen. Besonders wichtig ist, dass möglichst oft der Chefredakteur abgebildet ist. Das soll – so munkelt man – einer Karriere im Hause nicht abträglich sein.

Insgesamt also ein geniales Konzept.

Ob die Leser verärgert sind, wenn sie von uns mit Werbung zugeschüttet werden? Was soll denn diese Frage?

Also Sie gehören auch zu denen, die außen am Briefkasten ein Schildchen kleben haben: Bitte keine Werbung! Na sehen Sie, jetzt bekommen Sie sie dennoch.

Was sagen Sie: Jetzt müssen Sie auch noch dafür bezahlen, obwohl Sie sie gar nicht haben wollen? Das wollen Sie nicht länger hinnehmen? Junger Mann, da werden Sie sich aber bald entscheiden müssen, ob Sie Leser oder Geschäftsmann sind.

Was, wir sollen die Werbung aus Ihrem Exemplar wieder herausnehmen? Aber ich bitte Sie, wir können doch nichts herausnehmen, wofür andere bezahlt haben, dass wir es hineintun. Das wäre doch unredlich. Außerdem macht das Arbeit.

Es sei denn…Sie bringen mich da auf eine Idee…Das wäre ja eine zusätzliche Dienstleistung, die wir hier erbringen müssten, aber auch verkaufen könnten. Zuerst Prospekte rein, dann wieder raus, macht zwei Mal….

Entschuldigen Sie. Ich muss ganz schnell mal zu unserem obersten Hüllenchef….

…..ich glaube, ich mach in diesem Hause doch noch mal Karriere…

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